Eigenes Erleben auf dem Schlachtschiff Tirpitz
vom 5. Februar bis 12. November 1944
By Klaus Rohwedder

Ein Wort vorweg. Diesen Bericht habe ich für meine Familie und Freunde geschrieben, um ihnen die Sinnlosigkeit der Kriege aufzuzeigen, und damit sie sich ein Bild davon machen können, wie groß das Leid ist das Menschen einander damit angetan haben und es leider auch heute noch tun. Mögen sie sich mit aller Macht einer solchen Entwicklung entgegenstemmen! Das ist für mich die Schlussfolgerung aus meinem Erleben. Es ist selbstverständlich, dass dieser Bericht keine umfassende Schilderung sein kann, zumal ich nur für das entscheidende Jahr 1944, - als Überlebender des Angriffs vom 12. November 1944 .

3. April 1944 Kaafjord
Aussagen machen kann. Von meiner Gefechtsstation, als Ladekanonier des Steuerbord II. 10.5 cm Flak-Geschützes, hatte ich mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren und konnte nur das Geschehen in meiner unmittelbaren Umgebung wahrnehmen. Daher habe ich auch Aussagen meiner Kameraden mit einbezogen, die ich erst nach dem Ereignis sprach. Schon am 3. April 1944 griffen die Flugzeuge der Träger FURIOUS und VICTORIOUS das Schlachtschiff TIRPITZ im Kaafjord in einem Überraschungsangriff mit insgesamt 41 Maschinen in zwei Wellen an. Sie wurden durch die gleiche Anzahl von Jägern gedeckt. Weil die Jagdflugzeuge der deutschen Luftwaffe nicht eingesetzt wurden, war die TIRPITZ auf sich allein gestellt. Der Angriff gelang den Briten vorbildlich und sie erzielten 12 Bombentreffer. Die Verluste, der Flakbedienungen waren sehr hoch, sie betrugen 122 Tote und 316 Verwundete. Die Aufbauten waren teilweise schwer in Mitleidenschaft gezogen. Doch auch die Briten hatten Verluste zu beklagen, drei ihrer Flugzeuge gingen verloren. Die Times schrieb damals in ihrem Leitartikel "Überfall im Morgengrauen. Tirpitz gelähmt... und ... muss als wertlos betrachtet werden

Ich erlebte den Angriff auf meiner Gefechtsstation, dem Steuerbord II. 10,5cm Flakgeschütz. Wir waren bereits alle auf unserer Position auf den und warteten auf den Feuerbefehl vom Hauptflakeinsatzstand im Vormars, als schon die angreifenden Flugzeuge uns von achteraus unter Bordwaffenbeschuss nahmen. Die Treffer sprühten neben uns über das Flugzeugdeck, hatten aber keine Wirkung. Als dann endlich die Feuererlaubnis kam, hatte ich als Ladekanonier am rechten Rohr der Doppellafette in schnellster Folge die Granaten aus der Zünderstellmaschine zu reißen um das Rohr zu laden. Das war Schwerstarbeit, wobei der künstliche Nebel das Atmen erheblich erschwerte. Die Bombeneinschläge auf und neben unserem Schiff habe ich bei dem unwahrscheinlichen Lärm gar nicht wahrgenommen. Plötzlich verspürte ich einen heißen Luftstoß, der mich zur Seite schleuderte. In dem Explosionsqualm ringsumher konnte ich zunächst nichts um mich herum erkennen. Wir feuerten aber sofort weiter bis die Munition ausblieb. Hinter uns brannte die Steuerbord Flugzeughalle. Zugleich heulte ununterbrochen die Sirene am Schornstein.

In der Gefechtspause wurden die Feuerlöschgruppe tätig. Ein Bombentreffer in den Fähnrichwaschraum unter uns hatte das Aufbaudeck hinter unserem Geschütz aufgerissen aber niemand von unserer Geschützbedienung war wesentlich verletzt. Das grenzte fast an ein Wunder. Unsere Bereitschaftsmunition war mitsamt dem Behälter in das Bombenloch gestürzt in dem es auch brannte. Das Bordflugzeug, welches startbereit auf dem Katapult stand lag jetzt ein Deck tiefer schwer beschädigt auf dem Steuerbord Torpedorohrsatz. Wenig später erfolgte ein weiterer Angriff, auf den wir jedoch besser vorbereitet waren. Ich habe auch bei diesem Angriff nichts von weiteren Treffern bemerkt, weil ich vollauf mit dem Laden des Geschützes zu tun hatte und mich nur hierauf konzentrieren musste. Erst in der folgenden Gefechtspause machten mich die Kameraden auf Verbrennungen an meiner linken Gesichtshälfte aufmerksam, von der ich eigenartigerweise bis dahin nichts verspürt hatte. Sie schickten mich ins Bordlazarett. Das hatte einen Treffer erhalten und es herrschten unbeschreibliche Zustände. Nur die Notbeleuchtung brannte und einige Sanitäter versorgten die Verwundeten soweit diese das Lazarett erreicht hatten. denn der Verwundetentransport war noch nicht angelaufen. Nach Versorgung der Brandwunde kehrte ich an das Geschütz zurück. Dass ich auch noch eine leichte Verwundung am rechten Schienbein erlitten hatte bemerkte ich erst am Abend.    

12. November 1944
Haaköya
Diesen letzten Bomberangriff habe ich von Beginn an erlebt und möchte ihn gesondert schildern. Die Maschinen flogen ihren Angriff in geschlossenem Verband von der Steuerbordseite aus Richtung Balsfjord kommend. Da wir bereits bei dem frühzeitigen Flakalarm an den Geschützen standen, konnten wir das Geschehen deutlich verfolgen. Wir erwarteten den Einsatz der Eismeerjäger aus Bardufoss gegen die Lancaster-Bomber, aber nichts geschah, obwohl über Bordlautsprecher Start angekündigt wurde, dass diese gestartet seien. Die Angst stand allen in den Augen, ahnten wir doch, dass dies vielleicht der letzte Tag für uns sein konnte. Nachdem die schwere Artillerie das Feuer eröffnete und die Salve weit unterhalb der Angreifer detonierte, zogen diese sich auseinander, behielten den Angriffskurs jedoch bei. Als wir nach Näher kommen des Verbandes die Feuererlaubnis erhielten, fiel die fürchterliche Anspannung von mir ab. Ich sah noch, dass sich unter dem Rumpf einer Maschine eine riesige Bombe löste, die ein wenig dem Kurs des Flugzeuges folgte und dann nicht mehr zu sehen war.

Als Schatten erschien sie kurz achteraus, weit vom Schiff entfernt, tauchte mit einem Spritzer in die Wasseroberfläche, die sich aufwölbte und eine gewaltige Wasserwand in den Himmel schickte. Die Wirkung unseres Abwehrfeuers konnte ich nicht beobachten. Die leichte Flak feuerte nun auch mit auf den Verband, obwohl dieser außerhalb ihrer Reichweite flog (in ca 4.500 Meter Höhe). Das Feuer unserer Geschütze war unbeschreiblich laut und man konnte die einzelnen Abschüsse der verschiedenen Kaliber nicht unterscheiden. Das ohrenbetäubende Getöse nahm dann auch noch zu, als eine gewaltige Erschütterung das Schiff erzittern ließ. Das war der erste Treffer an Backbord. Es stürzten Unmengen Wasser von oben auf uns herab. Den zweiten Treffer habe ich nicht mehr wahrgenommen, weil das Schiff sich sofort nach Backbord neigte. Die Munition kam nicht mehr an das Geschütz und ich holte mir noch einige Granaten von der Bereitschaftsmunition, denn der Zugang zum Munitionsaufzug war durch ein Verkehrsboot, welches aus seiner Lagerung gestürzt war, versperrt. Die Munitionsmanner kamen auch nicht an das Geschütz. Inzwischen war die Krängung so stark geworden, dass ich das Rohr nicht mehr laden konnte. Die Munition rutschte aus dem Bereitschaftsschrank und stürzte über das Flugzeugdeck ins Wasser, viele Trümmerstücke folgten. Von der Geschützbedienung war nur noch ein Kamerad bei mir, der neben mir die Zünderstellmaschine bediente. Die übrigen waren vermutlich noch auf ihren Positionen innerhalb des Panzerschutzes der Kanone.

Inzwischen konnten wir uns nicht mehr an Deck aufrecht halten und klammerten uns an einen Relingstutzen. Das Geschützfeuer ebbte ab, nur einzelne Schüsse wurden noch abgegeben. Um das Schiff herum schlugen vereinzelt noch Bomben ins Wasser. Von der Explosion des Turmes Cäsar haben wir nichts bemerkt. Denn das Schiff erzitterte bei den Nahtreffern ständig. Bei ungefähr 80 Grad Schlagseite kletterte mein Kamerad und ich über die Reling des Oberdecks auf den Steuerbordseitenpanzer. Meinen Stahlhelm riss ich vom Kopf und warf ihn von mir. Er hüpfte in grotesken Sprüngen über den Seitenpanzer ins Wasser. Von Angst war eigentlich keine Spur mehr. Ich überlegte nur wie ich schnellstmöglich vom Schiff kommen konnte, denn innerhalb des Schiffskörpers musste man mit weiteren Explosionen rechnen. So strebten wir dem Heck zu, weil uns von dort aus die Entfernung zum Ufer am kürzesten schien. Wir suchten kurz hinter der Steuerbordschraube Deckung, weil einzelne Maschinen erneut das Schiff anflogen. Als kein Bordwaffenbeschuss erfolgte, sind wir über das Steuerbord Ruderblatt, nachdem ich mich meiner Stiefel und meines Kolanis entledigt hatte, ins Wasser gesprungen. Mein Kamerad, der aus Hamburg stammte, sollte Weihnachten in Heiratsurlaub fahren ist nicht mehr aufgetaucht, während ich auf das Ufer zu schwamm.

Auf der Wasseroberfläche hatte sich eine dicke Ölschicht aus den Treibstoffvorratstanks ausgebreitet. Bevor ich die Bojen der Netzsperre erreichte, stieß ich auf einen Baumstamm, auf den ich mich rettet habe. Meine ölverschmierten Augen brannten heftig und mit einem Taschentuch entfernte ich es. Daher waren keine Reizungen eingetreten, wie bei vielen Anderen. Ein weiterer Kamerad von unserem Geschütz kam hinzu und wir haben gemeinsam ein Rettungsfloß, das vorbei trieb, wahrgenommen und sind übergestiegen. An den Bojen der Netzsperre hielten sich bereits zu viele Kameraden fest und sie sanken infolge des zusätzlichen Gewichts langsam tiefer. Um uns herum trieben, neben vielen Toten, auch viele Kameraden die sich schwimmend retten wollten. Kaum einer hatte seine Schwimmweste angelegt, ich auch nicht. Ich erinnere mich nicht, wie lange ich im Wasser schwamm, denn mir war jegliches Zeitgefühl abhanden gekommen. Auch die Kälte des Wassers habe ich nicht verspürt, es dürfte aber nur wenige Grade über Null gewesen sein.

Nach einer Weile wurden wir von einem Nebelkutter (norwegischer Fischkutter) aufgenommen, der uns zum Flak-Träger "THETIS" ex "Tordenskold" brachte und dort wurden wir an Bord genommen. Man versorgte uns als erstes mit Rum, schnitt die ölverschmierten Kleiber vom Körper und brachte uns in den bordeigenen Waschraum. Die Reinigung vom Öl mit Seife und Wurzelbürste unter der heißen Dusche war eine Tortur, die ich noch lebhaft in Erinnerung habe. Man versorgte uns notdürftig mit Bekleidung, denn das Schiff verfügte nur über geringe Mengen. Einen Tag danach wurden wir an Land nach Tromsö gebracht. Unsere Bekleidung war nicht ausreichend und daher hatte man uns zusätzlich in Wolldecken gehüllt. Zufällig hat mich in Tromsö ein Nachbar meines Vaters gesehen und ihm berichtet, dass ich überlebt hatte.
- Klaus Rohwedder
Chairman Tirpitz Crew Association
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*An English translation will be posted soon.


Page published Feb. 22, 2011